Die Digitalisierung der Fertigungsindustrie
Eine kurze Geschichte des Wandels in der Fertigungsindustrie durch die Digitalisierung
Wie komplex die Fertigungsindustrie heute ist, wird deutlich, wenn man sich ansieht, welchen Wandel die Branche im Laufe der letzten 30 Jahre vollzogen hat; den Wandel von den entwerfenden Fabriken und Produktionslinien auf dem Papier zu präzisen Computersimulationen.
Dieser Artikel ist einer Rede entnommen, die Dr. Scott E. Walter, Chief Technical Advisor für Visual Components, anlässlich der Manufacturing Performance Days im Juni 2015 gehalten hat.
Die Anfänge der Digitalisierung
Mitte der achtziger Jahre hatte die amerikanische Automobilindustrie große Schwierigkeiten. Japanische Automarken, hergestellt von Robotern, eroberten den Markt. Um ihren Marktanteil zurückzugewinnen, beschlossen die amerikanischen Hersteller, ebenfalls Roboter einzusetzen. Bald schon war jedoch klar, dass die Roboter kein vollwertiger Ersatz für Arbeitskräfte waren. Was fehlte, waren eine geeignete Planungssoftware und Mitarbeiter, die in der Nutzung dieser Software geschult sind.
Vom Objekt zum Drahtgittermodell und Polygonmodell mit geglätteten Flächen
(Sutherland/Sproull/Schumacker: Beschreibung 1974, S.5, Abb.,2c-f).
„Wir dachten, wir könnten das Problem mit den Robotern mit Hilfe von 3D-Graphiken lösen“, so Scott Walter, Chief Technical Advisor für Visual Components.
Vor Beginn musste Walters Team zahlreiche Gegenstände erfinden, die für uns heute selbstverständlich sind, wie z. B. Beleuchtungsmodelle, Modellierkerne und Benutzeroberflächen. Entwickler zur Unterstützung seines Teams waren dünn gesät, da Leute mit Programmierungs- und Computergraphikkenntnissen damals kaum zu finden waren.
Auch die Roboter selbst stellten ein Problem dar. Jeder hatte seine eigene Sprache und seine eigenen Standards für Backups und proprietäre Betriebssysteme. Dass die Roboteranbieter nur widerstrebend Informationen über ihre Roboter herausgaben, weil sie befürchteten, schlecht dazustehen oder dass die zugesagte Nutzungsdauer abgelaufen sein könnte, erschwerte die Lage zusätzlich.
„Für die Vorrichtungen und Werkzeuge gab es kein CAD, und so mussten wir die Roboter mit Lineal und Maßband rekonstruieren“, führt Walter aus.
Die Entwicklung der ersten Standards
Mit der Zeit wurden die Computer schneller und die Roboter besser, und Walters Team konnte mehr Zeit in die Anwendung und weniger in die Peripherie investieren. Es stand jedoch fest, dass die Simulation nur so gut sein konnte wie das Robotermodell. Da die Roboteranbieter keine eigentumsrechtlich geschützten Informationen an die Simulationslösungsanbieter weitergeben wollten, beschränkte sich die Software auf Erreichbarkeits- und Machbarkeitsstudien.
Es mussten dringend Industriestandards her. Um ein Standardprotokoll zu entwickeln, das die Kommunikation zwischen den Simulationswerkzeugen und der Steuerungssoftware ermöglichte, wurde die Initiative „Projekt zur realistischen Robotersimulation“ (RRS) ins Leben gerufen. RRS war ein technischer Erfolg und wurde von der Automobilindustrie übernommen. Anderen Branchen standen die RRS-Module allerdings nicht ohne weiteres zur Verfügung, und der RRS-Standard ist lediglich in zwei Simulationsmarken enthalten. Das heißt, RRS wird nicht als Standard behandelt.
„Enttäuschend ist, dass ein Standard, der zahlreiche Probleme lösen könnte, unter Verschluss gehalten wird“, beklagt Walter.
Digitalisierung jetzt!
Vieles hat sich seit den achtziger Jahren verändert. Heute wird alles in CAD entworfen, und die gesamte Umgebung liegt in 3D vor. Auch gute Entwickler sind nun keine Mangelware mehr, da heute praktisch jeder Haushalt über leistungsstarke Computer verfügt.
„Wenn wir heute noch einmal beginnen würden, wäre unser Job sehr viel einfacher“, erklärt Walter. „Da alles andere als Werkzeugbox verfügbar ist und ein Programm mit Hilfe eines Wechseldatenträgers auf jeden Roboter übertragen werden kann, könnten wir uns heute voll und ganz auf die Fabriksimulation konzentrieren.“
Dennoch gibt es beim derzeitigen Industriestandard nach Walters Auffassung noch großen Verbesserungsbedarf.
„Alle Daten liegen zwar in CAD vor, aber beim Informationsfluss fangen die Probleme an“, erläutert Walter.
Meine Vision war die Demokratisierung der Simulation.
Scott Walter
Walter ist der Meinung, dass jeder Laptop über Simulationswerkzeuge verfügen sollte. Warum dies nicht so ist, hat zwei Gründe: Kosten und Benutzerfreundlichkeit. Die Flaggschiffe der Industrie sind äußerst kostspielig und können nur mit entsprechender Schulung genutzt werden. Und wenn andere den Job übernehmen könnten, würden die Simulationsteams ihre Macht verlieren.
„Das Problem ist die Konnektivität. Wir verfügen über zahlreiche Hochleistungsinseln, aber der Datenfluss zwischen diesen Inseln ist mangelhaft. Was fehlt, sind Brücken, so dass wir uns mit Fähren behelfen müssen“, veranschaulicht Walter. „Ein Großteil der Zeit vergeht mit dem Versand oder Empfang von Daten“.
Was wäre der nächste Schritt?
Laut Walter kann das Konnektivitätsproblem durch die Entwicklung verbesserter Standards und Verfahren in den Unternehmen gelöst werden. Simulationsanforderungen können so in alle Konzeptionsphasen integriert und die Daten vom Konzept bis zur Inbetriebnahme nahtlos genutzt werden. Bestehende Standards müssen besser genutzt und neue Standards entwickelt werden.
Zur Realisierung dieser Vision brauchen wir neue Visionäre. Mit anderen Worten: Wir müssen darüber hinaus neue Talente für die Simulationsbranche gewinnen.
„Derzeit gibt es einen großen Talentpool mit fähigen Programmierern. Wo aber sind diese Talente?“ fragt Walter. „Sie setzen ihre Fähigkeiten in der Entwicklung von Computerspielen, Social-Media-Apps und für andere „coole“ Dinge ein. Um Talente für uns zu gewinnen, braucht es einen Coolness-Faktor.“
Auf die Frage, was er beruflich tue, antwortet Walter deshalb, man möge sich einen Roboter und ein Videospiel vorstellen und beides miteinander kombinieren. Da die Digitalisierung in der Planung der Fabriken, die Telefone herstellen, eingesetzt wird, findet Walter seinen Job tatsächlich sehr viel interessanter als die Entwicklung von Apps, die einfach nur Geld bringen sollen.
„Die Digitalisierung leistet einen Beitrag zur Herstellung von Dingen“, so Walter. „Wie cool ist das?“
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